Über Moral und Scheinmoral

In letzter Zeit mache ich mir viel Gedanken über Moral. Moral ist bekanntlich eine ethische Haltung, die Menschen hilft. So die Theorie. Mit was haben wir es aber zu tun, wenn die Haltung zum blossen Schein wird? Haben wir es dann nicht vielmehr mit so etwas zu tun wie scheinmoralischem Narzissmus? Der Corona-Lockdown bringt mich zum nachdenken.

Ich möchte ein Beispiel nennen. Der Runfunksender „Deutschlandfunk Kultur“ veröffentlichte am 18. April 2020 ein Zitat der Autorin Cornelia Funke. Das Zitat lautet wie folgt:

„Ich würde aus dieser Krise gerne mitnehmen, dass man mit wesentlich weniger auskommen kann. Dass wir nicht wie die Irren durch die Welt fliegen müssen. Dass wir dankbarer sind für das, was wir haben. Aber wir kennen die Menschen.“

Dieses Zitat hat zum Zeitpunkt meines Textes, den ich gerade schreibe, bereits über 4000 Likes erhalten.

Dazu habe ich mehrere Fragen:

Welches „wir“ meint Cornelia Funke? Denkt die Autorin dabei an die Menschen auf der Welt, deren Geld kaum zum überleben reicht, wenn sie davon spricht, dass „wir“ dankbarer sein sollen für „das, was wir haben“. Wie inklusiv ist dieses „wir“? Oder meint sie mit „wir“ die einen, die nicht „wie die Irren durch die Welt fliegen“ sollen und nicht die, die sich soclhe Flüge gar nicht leisten können? Wer ist das „wir“? Wer ist dieses „wir“, dass „mit wesentlich weniger auskommen kann“? Und welches „wir“ kennt „die Menschen“?

Scheinmoral klingt erst eimal gut. Dass mit Scheinmoral – das wissen wir seit Corona – auch Freiheits- und Bürgerrechte ausgehebelt werden können, das sollen wir akzeptieren, damit das „wir“ sich besser fühlt. Mit Scheinmoral werden Menschen wegen eines Lockdowns – über dessen Sinn und Zweck sich streiten lässt – nicht mehr zu ihren Angehörigen gelassen, Menschen verlieren ihre Arbeit und ihre Lebensgrundlage. Wegen des Lockdowns werden weltweit Menschen verhaftet und die Polizeihubschrauber kreisen.

Was ist das für ein „wir“ mit dem wir es zu tun haben?